Die fünf Grundsätze von Mindful Parenting
Lisa Kring
Achtsamkeit ist die Fähigkeit, die eigene Erfahrung von Moment zu Moment freundlich und aufmerksam wahrzunehmen, ohne zu versuchen, sie zu ändern. Oft befinden wir uns im Modus des „Autopiloten“, getrieben von Gewohnheitsmustern, beschäftigt mit Zukunftsfantasien, die nie eintreten werden und Erinnerungen an Vergangenes, das längst vorbei ist. Die Folge ist, dass wir uns gestresst, ängstlich, niedergedrückt und erschöpft fühlen. Achtsamkeitsmeditation hilft uns in Verbindung mit uns selbst zu kommen und unsere Batterien wieder aufzuladen. Uns geht es gesundheitlich und emotional wieder besser, unabhängig der äußeren Umstände.
Unsere aufmerksame Zugewandtheit ist wahrscheinlich das wertvollste Geschenk an unsere Kinder. Dies ist die wahre Motivation für Eltern sich Zeit für die Praxis der Achtsamkeit zu nehmen. Mindful Parenting (achtsame Kindererziehung) basiert auf der tiefen Einsicht, dass wir nur das weitergeben können, was wir für uns selbst realisiert haben.
Wenn wir durch Achtsamkeitspraxis unsere eigenen Bedürfnisse spüren, haben wir mehr Kontakt zu den tieferen Bedürfnissen unserer Kinder, als nur reaktiv auf vordergründiges Verhalten zu reagieren. Selbstmitgefühl, Selbstwertgefühl und Selbstgewahrsein sind die wesentlichen Bausteine von Mindful Parenting. Es beinhaltet die „innere Arbeit“ auf dem Weg zu sich selbst zum Wohle aller Wesen. Je mehr Eltern ihre eigene Ganzheit verwirklichen und unrealistische Erwartungen loslassen, desto mehr sind sie ihren Kindern zugewandt und sehen und lieben sie mehr und mehr, wie sie wirklich sind. Mit Hilfe von formalen und informellen Übungen widmet sich Mindful Parenting dem Umgang mit starken Emotionen, Reaktivität und Stress, verbessert achtsame Kommunikation, wertschätzt Eigenständigkeit, erkennt und verändert eigene unheilsame Gewohnheitsmustern und fördert Mitgefühl, Wohlwollen und Selbstfürsorge.
Die fünf Grundsätze von Mindful Parenting sind:
1. Nimm dir täglich Zeit um einfach zu sein
Unser Leben entwickelt sich von Moment zu Moment. Durch tägliche Achtsamkeitspraxis entfaltet Mindful Parenting mitfühlende Aufmerksamkeit. Sitz einfach jeden Tag zwischen 5 bis 30 Minuten zur selben Zeit am selben Ort und beobachte deinen Atem. Wenn dein Geist in Gedanken verloren geht (das wird er bestimmt), mach daraus kein Problem. Nimm es einfach freundlich wahr und bring deine Aufmerksamkeit wieder zurück zu deinem Atem. Wach sein bedeutet den Kontakt zu unserer unmittelbaren Erfahrung von Körper und Geist zu halten. Forschungsstudien zeigen, dass uns immer wieder unsere Gedanken an Zukunft oder Vergangenheit vom unmittelbaren Erleben des Jetzt ablenken und wir nicht mitbekommen, was in uns passiert. Wir haben die Tendenz uns in Aktivitäten, Ablenkungen, Druck und Erwartungen zu verlieren. Daher ist es so wichtig, einfach wach da zu sein. Das größte Geschenk, das wir unseren Kindern machen können, ist unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Doch beginnen müssen wir bei uns selbst. Achtsames Vorbild für deine Kinder zu sein, ist unbezahlbar.
2. Geh achtsam mit deinem Stress um
Als Eltern mit vollen Terminkalender befinden wir uns in einem ständig leichten Stresszustand. Selten gelingt es uns in Kontakt mit unsern Kindern unser „bestes Selbst“ auszudrücken. Durch Achtsamkeitspraxis werden wir uns des alltäglichen Stress bewusst und können lernen, damit kreativ umzugehen. Die STOP-Übung hilft uns vom Reaktiv-Gestresst-Modus zum Wach-Mitfühlenden-Modus zu wechseln.
S - Stop: Wenn du Stress wahrnimmst, unterbreche deine aktuelle Tätigkeiten und halte inne.
T - Take a breath: Spüre deinen Atem und nimmt wahr, wie sich deine Gedanken beruhigen und dein Geist klarer wird.
O - Observe: Sei mit deinen Gedanken und Gefühle, ohne etwas verändern zu wollen. Schau dich um und sieh, was im Moment wirklich passiert.
P - Proceed: Entscheide, wie du weitermachen möchtest.
3. Übernimm das Model „Ich-bin-gut-genug“
Oft haben wir zu hohe Erwartungen an uns selbst und versuchen die perfekten Eltern zu sein. Unabhängig von unseren besten Vorsätzen als Eltern sind Fehler und Versagen unvermeidlich. Entscheidend ist, wie wir mit solchen Situationen umgehen. Für unsere Kinder ist es wichtig zu sehen, dass wir Fehler machen und daraus lernen. Wenn wir versuchen diese Realität zu verleugnen, erfahren unsere Kinder kein realistisches Modell der menschlichen Wirklichkeit. Fehler bieten die Möglichkeit für Mitgefühl, Lernen, Wiedergutmachen, Verzeihen, Humor, Ehrlichkeit und Freundlichkeit.
4. Wertschätze die Eigenständigkeit deiner Kinder
Für jedes Kind ist es notwendig, dass wir es in seiner Eigenständigkeit sehen. Daher sind gesunde Grenzen zwischen uns und unseren Kinder wichtig. Die Eigenständigkeit unserer Kinder wertzuschätzen bedeutet nicht, dass wir ihnen uneingeschränkte Freiheiten geben und zu viele Wahlmöglichkeiten lassen. Es geht darum, uns unserer eigenen unerfüllten Bedürfnisse, blinden Flecke, unerledigten Geschäfte und nicht realisierten Träume bewusst zu werden. Sonst besteht die Gefahr, dass wir sie auf unsere Kinder projizieren. In Mindful Parenting lernen wir unsere eigenen Themen zu sehen, Verantwortung dafür zu übernehmen und sie nicht unseren Kindern aufzubürden. Können wir wirklich unsere Kinder in ihrer Eigenständigkeit sehen und lieben? Sie einfach annehmen, wie sie sind? Viele Konflikte zwischen Eltern und Kinder beinhalten zu wenig emotionalen Abstand der Eltern. Was unsere Kinder brauchen und was wir brauchen ist manchmal vollkommen unterschiedlich.
5. Freundlichkeit und Mitgefühl entwickeln
Nichts ist mehr herausfordernder, mehr herzzerreißender und nichts zeigt unsere Schwächen so deutlich wie Kindererziehung. Hier gibt es keinen Abbruch und kein Verstecken. Daher ist es aus Selbstschutz notwendig, dass wir für uns selbst Mitgefühl und Freundlichkeit entwickeln. Oft geben wir für unsere Kinder das Beste und bleiben erschöpft mit einem Gefühl der Leere zurück. Häufig suchen wir im Außen nach Liebe, Anerkennung und Zuwendung. Durch Achtsamkeitspraxis entfalten wir Freundlichkeit und Mitgefühl für uns selbst und unsere Kinder. Wir kommen wieder in Kontakt mit uns selbst, lassen unrealistische Erwartungen los und können besser für unser eigenes Wohl und das Wohl unserer Kinder sorgen.
Unsere Kinder brauchen unsere bedingungslose Liebe. Doch wir können nur das verschenken, was wir auch besitzen. Daher ist es notwendig, zuerst Freundlichkeit und Mitgefühl uns selbst gegenüber zu entwickeln, um es dann an unsere Kinder weiterzugeben.
(kreativ übersetzt und verändert von Frank Zechner. Den Originalartikel findet ihr unter http://www.huffingtonpost.com/lisa-kring/the-5-main-tenets-of-mindful-parenting_b_4086080.html)